Besuch im Heidelberger Zuckerladen
In der Plöck, etwas abseits von der Heidelberger Hauptstraße gelegen, versteckt sich hinter blickdichten Schaufenstern ein ganz besonderes Süßigkeitengeschäft.
Es ist kurz vor neun an einem sonnigen Spätsommermorgen, als uns die Tür zum Zuckerladen geöffnet wird. Wir treten ein in einen Laden, der ganz anders ist, als die zahlreichen Supermärkte und Kaufhäuser, welche die kleinen Läden zusehends aus den Innenstädten vertreiben. Beim Betreten des Ladens huscht unweigerlich ein Moment des Staunens über unser Gesicht: Bis unter die Decke stapeln sich hier in alten Holzregalen und hinter gläsernen Theken die verschiedensten Süßigkeiten. An einer Wand befinden sich riesige Gläser gefüllt mit allen nur denkbaren Naschereien in allen erdenklichen Farben von schwarzer Lakritze bis zu grünen und roten Sauren Streifen. Es fällt schwer den Blick nicht begeistert und neugierig umherwandern zu lassen.
Neben Jürgen begrüßt uns auch Marion an diesem Morgen in dem kleinen Laden in der Heidelberger Altstadt. Nachdem wir mit Kaffee versorgt wurden, erzählen die beiden, dass sie vor über 30 Jahren nach Heidelberg gekommen sind und bereits seit 1986 den Zuckerladen in der Plöck führen. Eigentlich wollte Marion Jürgen nur ihre alte Wirkungsstätte als Schülerin zeigen; herausgekommen ist eine echte Erfolgsgeschichte und der Zuckerladen eröffnet nicht in München, Frankfurt oder Bremen, sondern im kleinen Heidelberg. Seitdem haben die beiden den Laden mit viel Leidenschaft und Arbeit zu einem wahren Paradies für Süßigkeitenfans werden lassen.
Um diese Zeit hat der Zuckerladen für die Kundschaft noch geschlossen und wirkt beinahe gespenstig ruhig ohne die vielen Menschen, die sich tagsüber in den engen Raum drücken. Täglich platzt der Laden aus allen Nähten und die Leute warten geduldig in der Schlange die sich an der Kasse bildet. Ganz untypisch für die heutige Zeit werden die Besucher nicht schnellstmöglich durch den Laden geschleust und abkassiert, sondern von Jürgen zum Würfelspiel angehalten. Der Charme des Ladens entspringt nicht nur durch den urigen und mit allerlei Süßigkeiten aus der ganzen Welt vollgestopften Laden, sondern lebt insbesondere durch die beiden Besitzer, die dem Geschäft ihre persönliche Note verleihen.
Für Marion ist eine der Besonderheiten ihres Ladens, dass die Naschereien von jeder Person ob jung oder alt, Groß oder Klein, Gewerkschaftler oder Banker innig geliebt werden. So erzählt Jürgen von Geschäftsführern großer Firmen, die regelmäßig in Heidelberg vorbeischauen und sich binnen weniger Sekunden in ihre eigene Kindheit zurückversetzt fühlen. Der Zuckerladen bleibt ein Teil der Erinnerung an Heidelberg.
Doch zurück zur Gegenwart: Der Kaffee ist mittlerweile ausgetrunken und wir haben uns auf die gemütlichen Kinosessel niedergelassen. Spricht man die beiden auf Heidelberg an, dann geraten sie ins Schwärmen. Jürgen, eigentlich aus dem hohen Norden des Landes, ist immer noch von der Ausstrahlung der Stadt begeistert und berichtet von Studierenden, die auch lange nach ihrer Heidelberg-Zeit noch ihre Süßigkeiten als eine Art Andenken im Zuckerladen bestellen oder die Torte für das Firmenjubiläum von Jürgen anfertigen lassen.
Der Zuckerladen ist mit der Stadt gewachsen und frühere Kinder kommen nun selbst mit ihren eigenen Kindern vorbei, um Süßigkeiten zu kaufen. Dabei finden sie den Laden noch genauso wie früher vor, es ist immer noch ihre Heimat. Ein Besuch wie bei Oma. Auch die Amerikaner die aufgrund des Abzugs der US-Armee nach über 60 Jahren die Stadt verlassen haben, kommen immer wieder zurück in „ihren Laden“.
So setzt sich die Kundschaft auch fast nur aus Stammkundschaft zusammen. Etwas abseits von der Heidelberger Hauptstraße gelegen, verirren sich nicht viele Touristen in den Laden. Vielleicht auch wegen der beinahe ablehnend wirkenden Schaufenster-Dekoration.
Wer sich von dem Zahnarztstuhl nicht abschrecken lässt, der entdeckt ein wahres Paradies inmitten unserer hektischen Welt. Ein kleines Paradies das nun auch seinen Platz in unserer Heidelbergbox seinen Platz gefunden hat.